Der Fußball und die Hoffnung

 

Bei der WM in Südafrika ging es immer um mehr als Fußball. Ein Signal für das Land nach der Apartheid, für mehr Selbstvertrauen sollte das Turnier sein. Und die Fifa versprach auch, ein Erbe zu hinterlassen: Hoffnung und Hilfe im Kampf gegen Armut und soziale Ungleichheit. Was ist davon zu finden?

 

Die überraschende Finalpaarung am Sonntag lautete also Nigeria gegen Burkina Faso. Das Semifinale hier in Durban war eine einseitige Angelegenheit. Die flinken Nigerianer rannten der behäbig wirkenden malischen Verteidigung einfach davon. Quasi im Torrausch wurde im Moses-Mabhida-Stadion zwischenzeitlich schon das 5:0 angezeigt, doch der Treffer wurde aberkannt. Aus malischer Sicht wurde es dennoch ein blamables 1:4.


Das Erbe der WM

Bevor ich mich aus der »Surf City« Durban wieder in das urbanen Chaos von Johannesburg begebe, ist etwas Zeit, sich außerhalb der Stadien und der nur von Weißen bewohnten Viertel umzuschauen. Kann der Fußball der eklatanten Ungleichheit in der südafrikanischen Gesellschaft etwas entgegenhalten?  Rückblickend waren die Versprechungen im Zuge der Bewerbung für die erste WM auf afrikanischem Boden recht vollmundig. Laut dem früheren Staatspräsidenten Thabo Mbeki sollte das Turnier ein Event sein, »das vom Kap bis nach Kairo Wellen des Selbstvertrauens und Stolzes senden wird«. Mbeki verkündete auch, dass die WM »soziale und ökonomische Möglichkeiten in ganz Afrika schaffen wird«. Dafür steht das »Fifa for Hope«-Programm. Was die WM auf alle Fälle geschaffen hat, ist ein Markt für Projekte im Bereich Sport und Entwicklung.

Eines dieser Projekte davon betreibt die »Fifa for Hope«-Partnerorgansiation »Whizzkids United« in Edendale, einem ausgedehnten Township inmitten pittoresker Hügel außerhalb von Pietermaritzburg. Edendale hat eine der höchsten HIV/AIDS-Raten des Landes. Phakamani Nguse ist Koordinator für das AIDS-Waisen Projekt von »Whizzkids«. Er sagt: »Hier leben über 300.000 Menschen und über 30 Prozent der Erwachsenen sind mit HIV infiziert.« Die Infektionsrate in dem ländlichen Distrikt ist um ein Vielfaches höher als in Kapstadt. Viele der Armen hier sind Migranten aus dem nahe gelegenen Lesotho, aus Zimbabwe oder aus Swasiland. Nguse sagt: »Wir kümmern uns derzeit um 30 Waisenkinder täglich, sie bekommen eine Schuluniform und nach der Schule ein Essen, oft das einzige warme Essen am Tag.« Über Fußballtrainings hat »Whizzkids« bislang tausenden Kindern einen verantwortungsvolleren Umgang mit ihrem eigenen Körper und ihrer Gesundheit vermittelt, was für das Leben mit AIDS von zentraler Bedeutung ist.


NGO-Überschuss
Es ist Schulschluss, einige der Kinder trudeln ein und beginnen auf dem Asphaltplatz vor dem »Whizzkids«-Gebäude zu kicken. Irgendwann soll hier statt auf Asphalt auf einer topmodernen 40 mal 20 Meter große Kunstrasenanlage samt Flutlicht gespielt werden. Das bescheidene Gesundheitszentrum von »Whizzkids« wird zu einem von 20 »Football for Hope«-Zentren ausgebaut. Die beiden Fifa-Container stehen schon auf dem beengten Gelände. Was noch fehlt, ist die Genehmigung zum Ausbau durch das Spital von Edendale. Derzeit kann der Platz nicht mal für die neue, Nike geförderte Mixed Gender Football League genutzt werden. Auf dem Spielfeld liegen riesige »Football for Hope«-Banden. Die sind fälschlicherweise statt ins Fifa-Zentrum nach Limpopo hier nach KwaZulu Natal geliefert worden.

Der Gründer von »Whizzkids« ist der walisische Liverpool-Fan und HIV-Krankenpfleger Marcus McGilvray. Er sagt: »Vom südafrikanischen Fußballverband SAFA habe ich das Angebot bekommen, einen von insgesamt 27 Fußballplätzen mit angeschlossenem Klubhaus zu übernehmen, doch ich habe abgelehnt.« Die laufenden Kosten wären viel zu hoch. Der Ausbau des bestehenden Gesundheitszentrums erweitere den Platz für Beratungen, freiwillige HIV/AIDS-Tests und die Behandlungen. »Whizzkids « verlegt dann auch den Sitz vom noblen Glenwood in Durban ins 80 Kilometer entfernte Edendale, dort wäre man viel näher an den Problemen. McGilvray kritisiert die Entwicklungsszene. »Ich habe der UNO oft gesagt, dass Südafrika größer ist als Gauteng. Immer wenn ein UNO-Botschafter oder ein Filmstar kommt, fliegen sie nach Johannesburg, fahren kurz nach Soweto und dann wieder heim.«. Soweto klinge eben gut wegen der Verbindung zur Apartheid, aber die vielen NGOs würden sich dort mittlerweile auf die Füße steigen. Nike hat zur WM ebenfalls ein hippes Fußballzentrum in Soweto gebaut, die Aufmerksamkeit der Medien war dadurch gesichert.

Die Fifa hat einen kleinen Teil der riesigen Gewinne aus der WM an Südafrika in Form einer Stiftung zurückgegeben. An die Stiftung unter südafrikanischer Leitung wurden 450 Millionen Rand (37,5 Millionen Euro) überwiesen. Die ersten Projekte im Bereich Fußball und Entwicklung wurden dieser Tage benachrichtigt. McGilvray glaubt, dass das meiste Geld unmittelbar für die Förderung des Fußballs ausgegeben wird und nur wenig für Armutsbekämpfung oder AIDS/HIV-Prävention übrig bleibt. So wie die anderen vier Fifa-Football-for-Development-Zentren in Südafrika werde »Whizzkids« davon maximal 35.000 Dollar erhalten. »Nur weil wir das Fifa-Logo verwenden, heißt das nicht, wir bekommen Millionen«, sagt McGilvray. Dass die WM direkt zur Bekämpfung von Armut und anderen sozialer Schieflagen beigetragen hat, ist hier in Edendale nur schwer auszumachen.


Ghanas Irrtum
Zurück zum Spielfeld. Ghana hat bei den früheren Turnieren immer schön kombiniert, aber den Cup seit 1982 nicht mehr gewonnen. Meine naive Hoffnung war, dass die »Black Stars« diesmal nicht schön, aber dafür effektiv und damit erfolgreich spielen würden. Aber es hat im Semifinale nicht gegen die kleinen nördlichen Nachbarn aus Burkina Faso gereicht. Ghana-Coach Kwesi Appiah glaubte, im Mittelfeld auf erprobte Kreativkräfte wie Sulley Muntari (AC Milan), Andre Ayew (Olympique Marseille) und Michael Essien (Real Madrid) verzichten zu können. In der Nachbetrachtung wohl ein fataler Irrtum.  

Genau das ist aber Stephen Keshi mit dem rund erneuerten Team von Nigeria gelungen: nämlich erfahrenes Personal aus Europa durch junge, lokale Spieler aus der nigerianischen Liga zu ersetzen. Bei den »Super Eagles« scheint der Mix zu stimmen. Das macht sie morgen in der Soccer City in Soweto gegen Burkina Faso zum Favoriten auf den Gewinn der afrikanischen Fußballkrone. Das letzte Mal gewann Nigeria den Cup 1994, durfte aber zwei Jahre später den Titel in Südafrika nicht verteidigen. Der Staatschef Sani Abacha zog die Teilnahme des Teams aus politischen Gründen zurück. Für Stephen Keshi wäre ein Erfolg eine späte Genugtuung, wäre er doch 1996 als Kapitän nach Südafrika gekommen. 

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