"Wir Schwoaze ham Rassisten satt"

RASSISMUS Nach den Beleidigungen gegen Richard Sukuta-Pasu in Ried stellt sich einmal mehr die Frage: Wie rassistisch ist der österreichische Fußball? Vereine, Medien und organisierte Fans haben großteils prompt und richtig reagiert. Experten fordern jedoch eine weitere Sensibilisierung, die wirksamer ist als Hörtests für Schiedsrichter.

Er hat nicht gesehen, wer es war. Und er kann nicht sagen, wie viele sich beteiligt haben. Aber er hat es gehört – und das deutlich und mehr als einmal. In der zweiten Hälfte des Bundesliga-Spiels der SV Ried gegen Sturm Graz am 9. März beleidigten einige Ried-Anhänger Richard Sukuta-Pasu mit rassistischen Affenlauten. Bestraft wurde jedoch der schwarze Sturm-Angreifer, weil er sein Siegestor zum 2:1 kurz vor Schluss vor dem Rieder Heimsektor feierte. Schiedsrichter Gerhard Grobelnik zeigte ihm die Gelbe Karte wegen unsportlichen Verhaltens. Gegen die Schmähungen könne er nichts tun, meinte Grobelnik laut Aussage von Sukuta-Pasu. In seiner Stellungnahme gegenüber der ÖFB-Schiedsrichterkommission beharrte Grobelnik darauf, nichts gehört zu haben. Für den ballesterer war er nicht zu erreichen.

Grazer Liebe
Richard Sukuta-Pasu spricht ebenfalls nicht gern über den Vorfall. Für den 22-jährigen Deutschen war es die erste Erfahrung mit Rassismus als Fußballprofi. Im Interview ist er wortkarg und wirkt unangenehm betroffen von den Geschehnissen. »Ich finde es traurig. So etwas sollte es nicht mehr geben. Es ist verletzend, wenn man am eigenen Leib mitbekommt, dass es immer noch Leute gibt, die das nicht verstanden haben«, sagt Sukuta-Pasu. Das Verhalten von Grobelnik bleibt ihm auch drei Wochen nach dem Vorfall rätselhaft. »Dass er mir Gelb gibt, war nicht okay. Er hätte seinen Fehler danach eingestehen können, hat aber nichts im Spielbericht vermerkt.« Nach dem Spiel hatte Sukuta-Pasu keinen Kontakt mehr mit Grobelnik, eine Entschuldigung blieb aus: »Dass da gar nichts mehr gekommen ist, ist bitter.«

Eine klare Antwort kam hingegen vom SK Sturm. Im folgenden Heimspiel gegen Wacker Innsbruck veranstalteten der Verein und seine Fans eine eindrucksvolle Antirassismus-Aktion. Vor der Fankurve hing ein Banner mit der Aufschrift »Sturm ist schwarz und weiß. Love Richie, Hate Racism«, dazu kamen Spruchbänder wie »Von Bregenz bis Eisenstadt. Wir Schwoaze ham Rassisten satt.« Der Klub ließ seine Spieler nicht nur in Antirassismus-Shirts auflaufen, sondern bespielte auch die LED-Banden im Stadion mit dem Slogan »SK Sturm gegen Rassismus.« »Bei dem Spiel waren auch meine Eltern anwesend, das war eine tolle und emotionale Sache für mich«, sagt Sukuta-Pasu. Er macht den Rieder Verantwortlichen keinen Vorwurf, obwohl diese den Vorfall zunächst nicht wahrhaben wollten. »In dem Spiel sind die Emotionen hochgekocht. Dass man da etwas nicht richtig einschätzt, kann ich verstehen. Aber sie haben es zugegeben und entsprechend reagiert.«

Innviertler Courage

Auch in Ried wurden die Vorfälle beim nächsten Heimspiel aufgearbeitet. In der Stadionzeitung sprachen sich Spieler, der Trainer, Funktionäre und die Fanbetreuerin gegen jegliche Form von Diskriminierung aus. »Es war für uns ein Schlag ins Gesicht. So etwas ist in Ried in 20 Jahren Profifußball nicht vorgekommen. Rassismus war nie ein Thema«, sagt Manager Stefan Reiter. Reiter schließt aus, dass die Schmähungen gegen Sukuta-Pasu von organisierten Fans gekommen sind. Das habe auch ein Fanklubtreffen ergeben. Einige Fans bestätigten dabei, dass es Beschimpfungen gegeben hat, doch die Urheber wollen sie nicht gesehen haben. Damit sich die Vorfälle nicht wiederholen, nimmt Reiter auch die Anhänger in die Pflicht. »Es braucht mehr Eigenverantwortung. Wenn ich mich gegen Rassismus ausspreche, muss ich solche Aktionen unterbinden oder sie dem Ordnerdienst melden«, sagt der Ried-Manager. »Diese Zivilcourage ist notwendig und bringt viel mehr, als wenn ich 1.000 Zettel verteile. Das muss man von Angesicht zu Angesicht klären.«

Weil das nicht passierte, werden die Täter von Ried wohl unerkannt bleiben. Die Auswertung der Videoüberwachung durch die Polizei habe keine Hinweise ergeben, sagt Reiter. Andere Aufzeichnungen führten zumindest dazu, dass trotz der fehlenden Schiedsrichterhinweise ein Verfahren der Bundesliga eingeleitet wurde. Der Fernsehsender Sky stellte Tonmaterial zur Verfügung, auf dem die Rufe eindeutig vernehmbar sind. Bis zu einer Entscheidung des Strafsenats vergingen jedoch drei Wochen. Zweimal vertagte sich das Bundesliga-Gremium, ehe es am 2. April eine Geldstrafe von 10.000 Euro – die Hälfte davon bedingt auf ein Jahr – aussprach.

Zehn Fälle in einem Jahr
Wie groß ist aber das Rassismusproblem im österreichischen Fußball? Die Initiative »FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel.« beschäftigt sich seit 1997 mit der Thematik, organisiert Aktionen mit Klubs und Fans, auf ihrer Website kann man rassistische Vorfälle melden. »Das Verhalten der Fans hat sich in den vergangenen 15 Jahren zum Positiven verändert«, sagt David Hudelist von »FairPlay«. »Es kommt nicht mehr vor, dass ganze Kurven oder beträchtliche Teile davon Spieler rassistisch beleidigen, trotzdem gibt es auch weiterhin Rassismus in den österreichischen Stadien.« Allein seit April 2012 hat es laut »FairPlay« mindestens zehn Fälle gegeben. Sie reichen von Beschimpfungen des WAC-Stürmers Mihret Topcagic durch Teile des eigenen Anhangs bis zur Beleidigung des damaligen Salzburg-Co-Trainers Niko Kovac in Wien-Hütteldorf. »Auch dank unseres Monitorings werden die Vorfälle offener diskutiert. Im aktuellen Fall haben Medien und die betroffenen Klubs den Prozess der Aufarbeitung selbst gestartet«, sagt Hudelist.

Das Problembewusstsein bei den Vereinen zeigte sich auch bei einer ballesterer-Umfrage, auf die zwölf von 20 Profivereinen antworteten. Mit Mattersburg, der Admira und dem WAC gab es aber drei Bundesliga-Klubs, die nicht reagierten. Aufgelistet wurden in den Statements auch Vorfälle, die medial wenig Beachtung fanden. So sahen sich einige Spieler von Red Bull Salzburg – vor allem der dreifache Torschütze Mane – beim Cupspiel im steirischen Kalsdorf mit rassistischen Äußerungen einzelner Zuschauer konfrontiert. Die Salzburger erstatteten daraufhin Anzeige beim ÖFB und einigten sich mit der Kalsdorfer Vereinsführung, dass mehr als die Hälfte der dem Landesligisten freiwillig überlassenen Ticketeinnahmen dem Verein »Sport spricht alle Sprachen« gestiftet wurden.

Gustafsson und die Bananen
Eddie Gustafsson war von den Schmähungen nicht direkt betroffen, der Salzburg-Tormann hat in seiner langen Karriere aber bereits einige Erfahrungen mit Rassismus gemacht und sich Zurückhaltung auferlegt. »Ich bin der Ansicht, dass man als Spieler nicht auf Rassismus von den Rängen reagieren sollte, wenn es die verbale Ebene betrifft«, sagt Gustafsson. Allerdings habe es auch einen Fall gegeben, bei dem er sich zu einer Reaktion veranlasst sah. »Bei einem Spiel in Schweden bin ich aus dem gegnerischen Fanblock mit dutzenden Bananen beworfen worden. Ich habe eine aufgehoben und einen Affen imitiert. Danach war Schluss. Die Fans haben verstanden, dass sie etwas falsch gemacht haben«, erzählt Gustafsson.

Im Westderby gegen Wacker Innsbruck im Juli 2011 erlebte der Salzburger Schlussmann Rassismus auf dem Platz. »In dem Spiel ist es heftig zur Sache gegangen – nicht nur körperlich, sondern auch verbal. Es sind rassistische Aussagen gefallen. Aber es sind auch von unserer Seite Fehler passiert, weil Spieler beschuldigt wurden, die nichts gemacht haben«, sagt Gustafsson. Zwar wurde ein Verfahren der Bundesliga eingeleitet, jedoch ohne Ergebnis. Für Gustafsson ist die Sache abgehakt, er nimmt aber die Spieler in die Pflicht: »Wenn Rassismus auf dem Platz vorkommt, wie soll man dann den Zuschauern klarmachen, dass das auf der Tribüne nichts verloren hat?«

Eine ausführliche Rückmeldung auf den Fragebogen kam aus Wiener Neustadt. PR-Manager Günther Kreissl stellt darin klar, dass es im Verein null Toleranz gegenüber Rassismus und Diskriminierung gebe. Klare Zeichen habe man im Fall des Spielers Nikon Jevtic gesetzt, der im September 2011 eine US-Talkmasterin in einem HipHop-Track als »jüdische Hure« bezeichnet hatte. Der Verein beendete das Arbeitsverhältnis mit Jevtic. Kreissl greift die aktuelle Debatte aber zu kurz: »Es geht um mehr als die Aufarbeitung von Rassismus. Wenn hunderte Fans minutenlang ›Sanel Kuljic, Sohn einer Hure‹ oder ›Siebenhandl, Hurensohn. Deine Mutter hatt’  ich schon‹ singen, dann ist das genauso verletzend und erzeugt zudem eine Gruppendynamik, die dem Spieler Angst machen kann.«

Hörtest für Schiedsrichter?
Was Rassismus betrifft, fordert »FairPlay«, Schiedsrichter und Trainer in der Ausbildung noch stärker mit dem Thema zu konfrontieren. Der Fall Sukuta-Pasu zeige, dass es manchen Schiedsrichtern an Fingerspitzengefühl fehlt, meint Hudelist. »Es sind vier Offizielle im Stadion, bei internationalen Spielen noch mehr. Da ist es schwer verständlich, dass sie etwas nicht hören, was andere sehr wohl wahrnehmen. Ich fordere keinen Hörtest bei der Schiedsrichterausbildung, aber Hellhörigkeit hat auch damit zu tun, wie stark man für ein Thema sensibilisiert ist.« Die Zusammenarbeit zwischen »FairPlay« und dem ÖFB wurde vor kurzem für zwei weitere Jahre verlängert. Teil des Arbeitsprogramms ist auch ein Angebot für Workshops zur Stärkung interkultureller Kompetenzen für Trainer und Schiedsrichter. Bei der Umsetzung seien nun die Verbände gefragt.
2012 wurde bereits ein Pilotworkshop mit dem Wiener Fußballverband durchgeführt. An dessen Spitze steht Robert Sedlacek, als Vorsitzender der ÖFB-Schiedsrichterkommission ist er zudem Chef der österreichischen Referees. »Die Sensibilisierung für Rassismus spielt bereits eine große Rolle in der Ausbildung und Schulung der Schiedsrichter. Wir haben viele Schiedsrichter mit Migrationshintergrund. Allein deshalb müssen wir da dahinter sein«, sagt der ehemalige FIFA-Referee. Im Fall Sukuta-Pasu räumt er Fehler ein. »Grobelnik hat ausgesagt, dass er die rassistischen Beleidigungen nicht gehört hat. Er hätte aber nach dem Spiel zur Klarstellung ein Interview geben sollen.«

Weil Grobelnik nichts hörte, kam auch der Drei-Punkte-Plan der UEFA nicht zum Tragen. Demnach muss der Schiedsrichter bei rassistischen Vorfällen eine Lautsprecherdurchsage veranlassen, dass das Verhalten unverzüglich einzustellen sei. Passiert das nicht, hat er das Spiel für mehrere Minuten zu unterbrechen. In letzter Konsequenz sieht der Plan einen Abbruch vor. »Ich denke nicht, dass das in Ried notwendig gewesen wäre«, sagt Sedlacek. »Aber zumindest eine Durchsage des Platzsprechers hätte es geben müssen.«
Erst Ende März hat die UEFA die Schiedsrichter bestärkt, bei Rassismus klare Zeichen zu setzen. Seit Inkrafttreten des Drei-Punkte-Plans 2009 ist jedoch noch kein Spiel in einem internationalen UEFA-Bewerb unterbrochen worden. Trotz diverser rassistischer Vorfälle. Auch im österreichischen Profifußball existiert diese Sanktion bisher nur auf dem Papier.

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