Aktionsforschung für Integration: Frauen mit Migrationshintergrund und Flüchtlinge im Sport

Sportvereine passen sich an die besonderen Bedürfnisse von Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen an, damit sie sich wohler fühlen, wenn sie Sport betreiben.

Das Projekt "Sport Inclusion of Migrant and Minority Women" (SPIN Women) hat sich zum Ziel gesetzt, die soziale Eingliederung und Chancengleichheit von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund oder aus ethnischen Minderheiten durch eine verstärkte Teilnahme an Sport und körperlichen Aktivitäten in der Freizeit zu fördern.

Im Auftrag des SPIN Women-Projekts führten die drei Forscherinnen Lulu Sabbiti (Finnland), Nuria Karimi (Österreich) und Kayra Hohmann (Deutschland) eine Aktionsforschung durch, um die Teilnahme- und Eingliederungsmöglichkeiten von Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen im Sport zu untersuchen.

Die drei Forschungsarbeiten wurden nun zusammen mit einer Einführung von Victoria Schwenzer von der SPIN-Partnerorganisation Camino veröffentlicht. Der Aktionsforschungsbericht steht hier zum Download bereit.

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Aktionsforschung: Ermächtigung zur Wissensproduktion

Aktionsforschung als methodologische Strategie der nicht-weißen Wissensproduktion hatte eine wichtige Auswirkung für das SPIN-Netzwerk, wie das Feedback der Partner*innen gezeigt hatte.
Aktionsforschung ist eine praxisorientierte Methodik, die sich auf eine Vielzahl von partizipatorischen Methoden stützt und Forschung als einen wechselseitigen Prozess begreift. Der Ansatz zielt ausdrücklich darauf ab, einen sozialen Wandel zu erreichen, indem er die von einem bestimmten sozialen Umstand betroffenen Personen als Expert*innen für ihre Situation positioniert.
Aktionsforschung setzt auf eine kollaborative Untersuchung der Wissensproduktion von unten nach oben und konzentriert sich auf die individuellen Erfahrungen und Stimmen der Teilnehmer. Die SPIN-Aktionsforscherinnen tauchten tief in die Alltagsrealität von Sportlerinnen migrantischer Herkunft ein und reflektierten gemeinsam die Schwierigkeiten und Barrieren, denen sie im Sport begegnen. Die drei Forschungen fanden in Berlin/Deutschland, Graz/Österreich und Helsinki/Finnland statt.

Nicht-Mainstream-Fußballvereine

Kayra Hohmann führte die SPIN-Aktionsforschung in Berlin, Deutschland, durch. Die kleine Studie konzentriert sich auf die Erfahrungen von fünf Sportlerinnen und untersucht das Potenzial von Nicht-Mainstream-Sportvereinen, um die Teilnahme- und Integrationsmöglichkeiten zu verbessern.

Non-Mainstream-Fußballvereine (auch als alternative Vereine bezeichnet) sind gemeinnützige Organisationen, die sich an Migrant*innen und/oder Flüchtlinge richten und in der Regel durch ehrenamtliche Arbeit aufrechterhalten werden. Auf der Grundlage teilnehmender Beobachtung und narrativer Interviewmethoden gibt die Aktionsforschung praxisorientierte Einblicke in die Erfahrungen von jungen Flüchtlingssportlerinnen in der Berliner Fußballszene.

Die Forschung identifizierte fünf Schlüsselmerkmale, die Organisationen nutzen können, um die Beteiligung und Integration zu erhöhen, darunter Mitgliedschaft, Flexibilität, Unterstützung, soziales Leben und Antidiskriminierungspolitik.

  1. Die Mitgliedschaft:
    Die Zusammensetzung der Teams trägt zu einem Zugehörigkeitsgefühl zum Sport bei. Da die meisten Athletinnen in Nicht-Mainstream-Vereinen eine Flucht- oder Migrationserfahrung haben, waren die Teilnehmerinnen der Meinung, dass das Teilen ähnlicher Lebensgeschichten zu einer positiven Erfahrung beiträgt.
  2. Flexibilität:
    Trainer*innen in alternativen Fußballvereinen sind mit den Alltagsrealitäten ihrer Sportler*innen vertraut. Diejenigen, die erst kürzlich in Deutschland angekommen sind, gaben an, dass sie Fußball zum Stressabbau spielten und keine Zeit hatten, regelmäßig am Training teilzunehmen. Während viele "reguläre" Vereine das Fehlen bestrafen und die Spielzeit auf dem Platz verkürzen, gibt es in alternativen Vereinen keine Anwesenheitspflicht, so dass sie sich auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten ihrer Spieler*innen einstellen.
  3. Unterstützung:
    Alternative Vereine bieten ein Unterstützungsnetz. Die Trainer*innen sind oft in das Leben der Athlet*innen eingebunden und bieten emotionale Unterstützung in familiären oder romantischen Angelegenheiten. Da die Spieler*innen und Trainer*innen mit den bürokratischen Vorschriften und Hürden bei der Ankunft vertraut sind, helfen sie den Teilnehmerinnen bei der Wohnungssuche, vermitteln sie an Nichtregierungsorganisationen oder verweisen sie an Übersetzer*innen und Sozialarbeiter*innen.
  4. Soziales Leben:
    Nicht-Mainstream-Fußballvereine setzen teambildende Maßnahmen außerhalb des Trainings ein. Sie beziehen ihre Spieler*innen in das soziale Leben ein, indem sie Ausflüge, Workshops, Abendessen und Versammlungen organisieren. Frauen, die erst vor kurzem in Deutschland angekommen sind, haben oft ihre ersten Bekanntschaften und Freund*innen im Rahmen von oder durch die sozialen Aktivitäten gemacht. Die Teilnehmerinnen sahen ihren Club nicht nur als einen Ort zum Trainieren, sondern auch als einen sozialen Raum für die Freizeit, was sie besonders schätzten, da es außerhalb der Schule oder des betreuten Wohnens besonders schwierig sein kann, soziale Kontakte zu finden.
  5. Politisches Bewusstsein und Antidiskriminierung:
    Alternative Fußballorganisationen weisen oft ein ausgeprägteres politisches Bewusstsein auf, was von allen Sportler*innen als entscheidend angesehen wurde. Ein zentraler Kritikpunkt der Teilnehmerinnen war, dass Antidiskriminierungsmaßnahmen, die von Gender-Bewusstsein bis zu Antirassismus reichen, nicht Teil der "normalen" Vereinskultur sind.

Herausforderungen

Die meisten dieser Sportorganisationen sind auf Freiwillige angewiesen; sie sind unterfinanziert und benötigen weitere finanzielle Unterstützung. Daher spielen sie oft mit großen Teams, die für jedes Leistungsniveau offen sind, was für die Sportler*innen, die professionellere Fähigkeiten haben, ein Problem darstellt.

Eine weitere von den Teilnehmerinnen wahrgenommene Barriere bestand darin, dass einige von ihnen in "regulären" Sportvereinen spielen wollten, aber in Nicht-Mainstream-Sportarten landeten, weil sie aufgrund der Sprache, einer früheren schlechten Erfahrung oder mangelnder Informationen keine andere Möglichkeit hatten. Während einige der skizzierten Merkmale und Eingliederungsstrategien dem Nicht-Mainstream-Fußball inhärent sind, können Mainstream-Vereine ihre Teilnahmemöglichkeiten erheblich verbessern, indem sie sich auf die Lebenssituationen ihrer Athleten einstellen, Mittel zur Unterstützung bereitstellen und eine Antidiskriminierungs-Vereinspolitik umsetzen.

 

Die Langfassung dieses Artikels wurde von sportanddev im Rahmen einer Partnerschaft mit dem UNHCR, dem UN-Flüchtlingshilfswerk, veröffentlicht, siehe: https://www.sportanddev.org/fr/article/news/action-research-inclusion-migrant-and-refugee-women-sports

Die Autorin Kayra Hohmann absolviert ein interdisziplinäres Studium der Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie arbeitet derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Camino und hat sich auf Migrationsstudien spezialisiert. Sie kann unter kayrahohmann [AT] camino-werkstatt [DOT] de kontaktiert werden.

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