„Leere Sesseln, keine Strukturen und verdammt viel zu tun“

Das bleibt von der vermeintlichen Euphorie rund um die Frauen WM 2011 in Deutschland, so der allgemeine Tenor bei der Club 2x11-Diskussion um Frauenfußball letzten Donnerstag in den Büchereien Wien.

Ob dem auch Bernd Schröder, seines Zeichens seit mehr als 40 Jahren Trainer des 1. FFC Turbine Potsdam, zugestimmt hätte, sei dahin gestellt. Wir wissen es nicht, denn kurz vor der Veranstaltung musste er leider absagen. So diskutierten 4 anstatt von 5 Eingeladenen gemeinsam mit dem Publikum über Status Quo, Probleme und Perspektiven des Frauenfußballs vor allem in Österreich, sowie gesellschaftliche Verhältnisse, die Frauenfußball weiterhin ins Abseits stellen und darüber, ob sich an Japan ein Beispiel genommen werden soll.

Irene Fuhrmann
, seit letzten Jahres Trainerin der U-19 und damit die erste Cheftrainerin Österreichs, konstatierte keine nachhaltigen Auswirkungen der WM auf den österreichischen Frauenfußball – wo wenig ist kann wenig werden, und so bräuchte es gefestigtere Strukturen damit ein kurzfristiger medialer Hype auch tatsächlich Fuß fassen und der Schwung langfristig genutzt werden kann. Das Nationale Zentrum für Frauenfußball sieht sie als einen Schritt dahin, durch professionelle Grundlagenarbeit in der Ausbildung der Spielerinnen Erfolge vor allem im Nachwuchsbereich zu erzielen um so den „Teufelskreis der Ignoranz“ (kein Geld, keine guten Strukturen, keine Aufmerksamkeit, keine Medien, kein Geld,…) zu brechen. Die eben laufende U19-EM (Österreich ist bei der Elite-Runde in England mit dabei) könnte zu diesem Schlüssel-Erfolg werden.

Nicht ganz so positiv sieht Johannes Uhlig, Trainer von Österreichs aktuell erfolgreichstem Frauenteam, dem SV Neulengbach, die Sache mit dem Nationalen Zentrum.  Circa 30 Spielerinnen werden pro Jahr in der Eliteeinrichtung in Sankt Pölten ausgebildet, was die Vereine vor große Schwierigkeiten stellt da ihre besten Spielerinnen kaum mehr im Vereinskollektiv, stattdessen im Internat des Leistungszentrums trainieren. Dass mit den vorhandenen Ressourcen, oder besser gesagt den gesetzten Prioritäten des ÖFB, nicht mehr möglich ist, war aber auch allen bewusst.

Jennifer Pöltl
spielt aktuell beim FC Südburgenland und ist Fixstarterin im U-19 Nationalteam. In den letzten 10 Jahren, seit sie Fußball spielt, hat sich wenig geändert. Dass über die WM auch untereinander viel gesprochen wurde war gut, und hat Frauenfußball kurz präsenter gemacht, an den Zuschreibungen oder Verhältnissen geändert hat sich dadurch aber nichts. Der Traum vom Profi-Dasein ist schön und gut, aber jenseits der Realität. Studieren, Ausbildung, Beruf und Fußball, das alles gilt es im Fußballerinnenalltag (nebenbei selbst in Deutschland) auf einen Nenner zu bringen. Ob das Profi-Tum mit all seinen Vor- und Nachteilen überhaupt Ziel ist, wurde kurz andiskutiert. Was jedenfalls aber nicht sein kann, ist, dass die „Vorteile“ des Nicht-Profi-Tums dafür herhalten müssen, strukturelle Ungleichheit und Unterfinanzierung des Frauenfußballs zu rechtfertigen.

Dass keine auch nach dem Großevent bestehen bleibenden Netzwerke und Strukturen aufgebaut werden können, ist für Christian Tagsold der entscheidende Moment, warum die WM letztlich trotz ihrer Präsenz in der Luft verpuffte. Bei jeder Männer-Veranstaltung werden beispielsweise neue Stadien und damit wird neue Infrastruktur gebaut, die nach einer WM 1:1 den vor Ort spielenden Vereinen zu Gute kommt. Bei der Frauen-WM ist kein einziges Bauwerk angefertigt worden, keine Infrastruktur neu entstanden, von der nun die Vereine und damit der Fußball im gesamten nachhaltig profitieren kann, schlicht und einfach weil sie da sind und weiter benutzt werden.

Viele Fragen blieben offen, vieles wurde nur andiskutiert und ganz allgemein war auch bei dieser Diskussion zu Frauenfußball wieder einmal zu konstatieren, dass der aufholende Informationsbedarf unter im Frauenfußball Aktiven enorm ist, auch weil es immer noch keine Orte gibt, an denen über Frauenfußball gesprochen wird (Medien, Netzwerke, Homepages, Veranstaltungen,…). In dem Sinne: weitere Fußball-Veranstaltungen, bitte!


Moderiert wurde die Veranstaltung von der FairPlay-Mitarbeiterin Nikola Staritz.

Club 2x11 – die Idee: Regelmäßige Gesprächsrunden, die sich dem Fußball in allen Facetten und jenseits des journalistischen Tagesgeschäfts widmen. Für Fans und Neugierige. Der Club 2x11 wurde vom Fußmagazin <link http://ballesterer.at/ - external-link-new-window>ballesterer</link><link http://ballesterer.at/ - external-link-new-window>fm</link>, der Hauptbücherei der Stadt Wien und dem heimischen Sportwettenanbieter tipp3 gegründet und besteht seit Anfang 2006. FairPlay-vidc hat einige Veranstaltungen mitorganisiert, MitarbeiterInnen von FairPlay-vidc stellen immer wieder als DiskutantInnen zur Verfügung.

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