Podiumsdiskussion „Fußballfans gegen Homophobie“

Moderation: Nikola Staritz (FairPlay)

Daniela Wurbs (Football Supporters Europe), Marco Schreuder (Grüne Andersrum) , Christi-an Rudolph/Thorsten Siebert (Fußballfans gegen Homophobie), Cecile Balbous (HOSI Wien), Vertreter_innen der Antifa Döbling

Veranstaltungszentrum mo.ë

11.10.2013, 19 Uhr

Besucher: 45

 

Wann outet sich der erste Verein?
Als vorletztes Event der Tatort Stadion Wien Ausstellung fand am Freitag die Podiumsdiskussion „Fußballfans gegen Homophobie“ statt. Um die 60 Leute fanden sich im mo.ë ein, um gemeinsam über Homophobie im österreichischen Fußball und Aktionen dagegen zu diskutieren.

 

Im Folgenden ein paar Diskussions-Splitter:

Homophobie im Fußball ist in Österreich wenig Thema. Deshalb war es erklärtes Ziel der Veranstaltung, das zu ändern und einen Status Check zu starten und ein Bild von der Situation in Österreich zu  bekommen – sowohl homophobe Diskriminierungen im Fußball als auch die Thematisierung von Homophobie unter aktiven Fangruppen betreffend.

Homophobie im österreichischen Fußball hatte unglücklicherweise zum Zeitpunkt der Diskussion einen aktuellen und öffentlichkeitswirksamen Aufhänger:  beim WM-Qualifikationsspiel der Männer kam es am 6. September in München zu homophoben Vorfällen – hunderte österreichische Fans ließen es sich nicht nehmen vor dem und im Stadion „Schwuler, schwuler DFB“ vor sich her zu singen – ohne damit auf Widerstand unter den eigenen Fans zu treffen, ganz im Gegenteil beteiligten sich immer mehr am Gerufe (<link http://fairplay.vidc.org/aktuelle-news/news/article/homophobie-kein-thema-im-oesterreichischen-fussball-ein-kommentar/ - external-link-new-window>FairPlay</link>, <link http://www.ballesterer.at/heft/kommentare/muenchner-misstoene.html - external-link-new-window>Ballesterer</link> und <link http://www.malmoe.org/artikel/alltag/2639/1 - external-link-new-window>MALMOE</link> berichteten). Solche Fälle von Diskriminierung sind natürlich schlecht und jeder Einzelne könnte verhindert werden – andererseits kann so aber immerhin manchmal eine längst überfällige Debatte losgetreten werden.  Ob das im österreichischen Fußball der Fall ist, ist aber noch nicht gesagt…

 


Status: Homophobie im Stadion


Nach einer kurzen Vorstellrunde, wo alle kurz ihre Initiativen vorstellten, ging es also darum, ausgehend von dem Münchner Beispiel zu fragen, wie es denn mit Homophobie in Österreichs Stadion aussieht und was sich vielleicht auch verändert hat in den letzten Jahren. Menschen in Österreich hätten, so Zora und Rosa (Namen geändert) von der Antifa Döbling, immer noch keinen Begriff von Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Diskriminierung: vieles würde nicht als diskriminierend empfunden und andererseits sei das Wort Homophobie immer noch einigen nicht bekannt. Während rassistische Sprüche zwar immer noch vorkommen, aber es Problembewusstsein gibt und – in vielen – Fankurven sicher nicht unwidersprochen bleibt, sei dies bei Homophobie nicht der Fall. Noch nicht? Ist das eine Frage der Zeit oder ist es, wie die Theoretikerin Gabriele Dietze sagt, einfach so, dass Homophobie dem Fußballgeschehen viel intrinsischer verwoben ist als Rassismus und Faschismus? Jedenfalls ist, so Zora, Sexismus hier auch ein wichtiges Thema: Stereotype und sexistische Geschlechterbilder sind ein riesiges Problem unter Fans und  bilden die gemeinsame Basis von Homophobie und Sexismus.

 


Was tun? Aufklärung!

Homophobie ist an der Tagesordnung, aber es gibt wenig Problembewusstsein in Österreich. Wie das verändert werden könne, war dann auch die logische Folgefrage. Bildung und Aufklärung seien hier, wie allgemein in der Gesellschaft, der einzige Weg, so Cécile Balbous, die im Rahmen der HoSi auch Workshops mit Schulen durchführt um Vorurteile gegen Lesben und Schwule abzubauen. Es gehe weniger um jene, die aus ideologischen Gründen diskriminierend seien, und dies aus Überzeugung und nicht aus Unwissenheit tun – diese werden mit Aufklärung nicht zu ändern sein –, sondern um alle anderen. Denn letztlich liegt es, neben den gesellschaftlichen Verhältnissen, dann auch wieder an den einzelnen Individuen, daran, ob sie den Mund aufmachen oder nicht, ob sie eingreifen oder nicht, wenn neben ihnen zum Beispiel wer homophobe Sprüche von sich lässt oder die Nachbarin rassistisch beleidigt wird. Wenn es hier Bewusstsein gibt, Diskriminierung nicht mehr unwidersprochen bleibt, ist schon viel getan.

 


Was tun? Outing und queere Fanclubs!


Die Frage nach einem Outing durfte natürlich nicht fehlen, und danach, was im Männerfußball daran hindert, was es bewirken würde und ob dazu zu raten sei. Marco Schreuders Einschätzung war, dass die Verhältnisse im Fußball-Business immer noch so homophob seien, dass von einem Outing abzuraten sei. Darüber wurde am Podium dann auch kontrovers diskutiert. Als Aktivist_innen müsse es uns, so Nikola Staritz, darum gehen so zu intervenieren, dass  ein möglichst diskriminierungsfreies Umfeld geschaffen wird, in dem alle sein können wie sie sind. Das ständige mediale Abraten vor einem Outing setze hier falsch an und würde Gräben tendenziell noch verstärken. Nebenbei sei ein Outing immer eine ganze individuelle Entscheidung – ob im Fußball, am Arbeitsplatz oder anderswo.
Dass es in Österreich keine queeren Fanclubs gäbe sei, so Schreuder, ein weiteres Problem und hier müsse auch angesetzt werden: wenn queere Menschen sichtbar sind am Platz und auf den Tribünen, dann wäre das ein starkes Zeichen, dass Lesben und Schwule nicht allein sind und würde einen offeneren Umgang mit Homosexualität ermöglichen. Ein schwuler Fußballer wäre sich so seiner Verbündeten gewiss und würde vielleicht eher wagen, sich zu outen. Aktuell sei es aber weder realistisch noch sinnvoll, so auch die Diskutantinnen der Antifa Döbling, queere Fanclubs anzudenken – anti-homophobe Arbeit stecke noch recht am Anfang. Wobei gerade die Vienna-Fans mit dem für die Aktionswochen 2013 produzierten Homophobie-Flyer beweisen, dass längst Aktionen in Gang sind und Auseinandersetzung vorhanden ist.



Wir alle sind schwul


Die Diskussion um Outings legt die Last und den Handlungsaufruf immer auf die Schultern der Betroffenen. Das sei ein Problem, so Balbous, warum also nicht kollektive Outings? Warum sagt nicht einmal ein Klub: „Ja, wir sind schwul!“, und bekennt sich damit zu seiner Akzeptanz und stellt sich als Verein hinter alle Spieler_innen, die homosexuell sind. Damit wären Homosexualität  bzw. die negativen Folgen, die ein Outing immer noch nach sich zieht, entindividualisiert. Medien könnten keine Hetzjagd auf den „Schwulen Superkicker“ beginnen, stattdessen wäre ein Forum eröffnet, in dem strukturell und ohne Sensationslust über Ungleichberechtigungen gesprochen werden könne. Diese Idee, dieses Konzept des kollektiven Outings, wurde von den Anwesenden lautstark gut geheißen.


Druck „von Unten“


In Deutschland scheint das Thema Homophobie bzw. Homosexualität im Fußball mittlerweile mit weniger Tabus besetzt und breiter diskutiert – was, so Daniela Wurbs und Christian Rudolph, zwar auch am Engagement des ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger liegt, aber in erster Linie am Druck und der Initiative aktiver Fans und Fangruppen, die wie bei Rassismus das Thema von unten, von der Basis, bis nach oben trugen. Dort wurde das Problem der Diskriminierung im Fußball erst aufgegriffen, als Druck und Debatte keine andere Wahl mehr ließen. Fälle extremer Gewalt mit Todesfällen aufgrund von rechter Gewalt taten ihre übriges, um Rassismus und Faschismus endlich in einer Öffentlichkeit und in Gremien anzupacken. Und hier gäbe es, so Rudolph, auch wieder „Backlashes“ und Vereine und Verbände fielen immer wieder hinter sich selbst zurück. Darauf wies ein Besucher gegen Ende der Veranstaltung hin. Dass Diskriminierung zum Thema im Fußball wurde, kann also als Produkt sozialer Kämpfe beschrieben werden.

Allgemein war der Tenor, dass Homophobie, wie andere gesellschaftliche Diskriminierungen, nur von Grass Roots, von unten, aufs Tapet gebracht werden könne. Von allein würden Verbände und Politik nicht aktiv werden und die Probleme ignorieren solange es ging. „Wir müssen einfach tun“, so Daniela Wurbs motivierend in die Runde. Einerseits gibt es schon einiges an Engagement gegen Homophobie, wie die Partizipation an der Diskussion, die vertretenen Initiativen und die Tatort Stadion-Ausstellung allgemein ja zeigt, andererseits hat jede heute große, erfolgreiche Initiative, die den Kampf gegen Diskriminierung auf ihre Transparente schreibt, einmal klein begonnen.


Diskutant_innen:
# Daniela Wurbs, Football Supporters Europe
# Zora und Rosa (Namen geändert), Antifa Döbling (Fanclub des First Vienna FC)
# Marco Schreuder, Sprecher der Grünen Andersrum und Bundesrat der Grünen
# Christian Rudolph, Fußballfans gegen Homophobie
# Cécile Balbous, Obfrau der Homosexuellen Initiative Wien (HoSi) Wien, bei den Ballerinas
Moderation: Nikola Staritz, FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel.

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