Ausgeträumt: Fazit zum Afrika Cup 2019

Ägypten wollte im eigenen Land den Afrika-Cup holen. Doch es setzte ein frühes Ausscheiden, massenhafte Rücktritte und politische Schlammschlachten. Nach seiner Rückkehr aus Ägypten fasst fairplay-Projektkoordinator und ballesterer-Korrespondent Kurt Wachter im letzten Teil seines Blogs seine Eindrücke zusammen.

Es ist nur noch eine Stunde bis zum Ankick des Viertelfinales, trotzdem finden sich in der klimatisierten U-Bahn zum Cairo International Stadium noch Sitzplätze. Auch die Zugangskontrollen am Einlass verlaufen zügig, dabei ist das zweitgrößte Stadion des Landes mit über 35.000 Fans gut gefüllt. Obwohl Nigeria gegen Südafrika spielt, sind viele Zuschauer in Ägypten-Trikots gekommen. Sie haben hier ihr Team erwartet, doch die favorisierten Gastgeber sind im Achtelfinale ausgeschieden. Die Heimfans ohne Mannschaft unterstützen an diesem Abend Nigeria und posieren für gemeinsame Selfies mit dem Gegner. Alles wirkt entspannt.

Wirkungslose Psychologie

Der Traum Ägyptens vom achten Afrika-Cup-Titel währte nur kurz, die Krise des Fußballs – und der Gesellschaft – war nach dem 0:1 gegen Südafrika schnell wieder Realität. Am Vortag des Achtelfinales hatte die Regierung die Preise für Benzin und Kochgas um mehr als 20 Prozent erhöht, die Hoffnung, diese Maßnahme werde in der Fußballeuphorie untergehen, erfüllte sich nicht.

Der gesamte Vorstand der Egyptian Football Association gab nach dem Ausscheiden seinen Rücktritt bekannt. Zuvor war schon Teamchef Javier Aguirre gefeuert worden. Bereits während der Gruppenphase hatte es gekriselt. Stürmer Amr Warda war nach den Vorwürfen sexueller Belästigung aus dem Kader gestrichen worden, die Suspendierung nach Intervention von unter anderem Mohamed Salah aber wieder aufgehoben worden. Als Warda beim Achtelfinale zum Einsatz kam, wurde der Hashtag „Team der Belästiger“ auf Arabisch zum Twitter-Trend in Ägypten.

Sportlich sei das Ausscheiden keine Überraschung gewesen, sagt Funktionär Magdy Abdel Ghany:
"Wir haben gewusst, dass wir keine Mannschaft haben, um das Turnier zu gewinnen. Aber wir haben es mit Psychologie versucht, wir haben uns gesagt: ‚Wir haben ein gutes Team, wir haben Mohamed Salah.“
Auch Ghany räumte seinen Posten, die Regierung hat angekündigt, Vorwürfe wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten und Korruption im Verband zu untersuchen. Ein durchsichtiges politisches Manöver, wie Gamal Sultan, Chefredakteur der Zeitung Al-Mesryoon, sagt:
„Erst letzte Woche war der Verband noch sauber und patriotisch, und die Funktionäre sind von Präsident al-Sisi empfangen worden.“

Mit dem Afrika-Cup wollte sich Ägypten als guter Organisator und sicheres Tourismusland präsentieren. Die Sicherheitsmaßnahmen waren immens – zu einem hohen Preis. Außer bei Spielen Ägyptens und in der Finalphase waren die Stadien schlecht besucht. Die nötigen Fanausweise und langwierige Kontrollen schreckten ab. Die ägyptischen Bewerbspiele hatten ohnehin seit dem Massaker von Port Said 2012 ohne Zuschauer stattgefunden.
„Das Turnier ist eine Chance für die Fans, wieder an den Spielen der ägyptischen Liga und des Cups teilzunehmen“
, sagte Präsident Abdel Fatah al-Sisi nach der Eröffnung des Afrika-Cup. Es wird wohl, ebenso wie Verbesserungen bei der Menschenrechtslage, eines seiner unerfüllten Versprechen bleiben.

Dieses Fazit ist ebenso in der September Ausgabe #144 des ballesterer erschienen wie ein Interview mit Anthony Baffoe, dem stellvertretenden Generalsekretär des Afrikanischen Fußballverbandes CAF.

Kurt Wachter ist für die fairplay Initiative und für den ballesterer beim Afrika Cup unterwegs. Ägypten 2019 ist der mittlerweile siebte Afrika Cup, den er journalistisch begleitet. Er wird bis zum Halbfinale über das Geschehen im Stadion, aber vor allem abseits davon berichten. Diese Berichterstattung ist Teil des fairplay-Projektes "Sport für Entwicklung", das maßgeblich von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit gefördert wird.

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